Hinter die Welt
Ans Ende der Zeit
Bis kein Regen mehr fällt
Nach den Killerpilzen haben nun auch Tokio Hotel ihr eigene Dokumentation: HINTER DIE WELT. Hierfür haben sie sich über die letzten Jahre hinweg von einem Team um Produzent Oliver Schwabe begleiten lassen. Kann HINTER DIE WELT mit IMMER NOCH JUNG mithalten?
Am 05. Oktober wurde die fast 3-jährige Arbeit zur Tokio Hotel Dokumentation HINTER DIE WELT im Rahmen des Filmfestival Cologne im Filmpalast Köln vorgestellt. Neben Fachpublikum und Fans war zur Überraschung vieler die Band selbst vor Ort, um die Reaktionen der ersten öffentlichen Vorstellung live mitzuerleben. Die Reaktionen der Fans, einiger YouTuber und ein paar Einblicke von Produzent Oliver Schwabe findest du auf unserem YouTube Channel. Unsere Gedanken wollen wir hier festhalten.
Neue Horizonte
Tokio Hotel haben ein bewegtes Leben hinter sich. Dieses verarbeiten sie normalerweise in ihrer Musik. Über die letzte Tour, Dream Machine, und ihren Weg dorthin haben wir ja bereits ausgiebig berichtet. Nun aber haben sie den Schritt gewagt, unter Regie eines Außenstehenden eine Dokumentation zu veröffentlichen, die das Phänomen Tokio Hotel thematisieren soll. Dass sie in der Vergangenheit bereits von vielen Seiten einiges einstecken musste, ist bekannt und hat die Jungs zu dem gemacht, was sie heute sind. Und das merkte man der Doku auch an. HINTER DIE WELT hat der Band die Möglichkeit gegeben, ihre Geschichte aus ihrer ganz eigenen Sicht zu erzählen. Sie haben das Team auf die letzten beiden Touren mitgenommen, sie in den Entwicklungsprozess von Dream Machine mit eingeschlossen und die Produzenten sogar mit in die Heimat genommen.
Erst durch den Monsun, dann hinter die Welt
Für uns war es natürlich auch super spannend zu erfahren, wie die Zusammenarbeit über einen so langen Zeitraum hinweg mit Tokio Hotel funktioniert hat. Bis man bei Tokio Hotel vordringt, dauert es. Die Crew der Band ist seit Jahren fest und als Neuankömmling muss man sich seinen Platz hart erkämpfen. Oliver hat es durch Empathie und unvoreingenommenes Interesse geschafft, sich in das Konstrukt Tokio Hotel einzufinden und nahm sich neugierig auf deren Welt diesem Mammutprojekt an.
„Es dauert immer, bis man vordringt, also bis man in dieser Blase drin ist. Die haben ja sehr viel schlechte Erfahrungen mit Presse gemacht. Wenn dann irgend so ein Depp da herkommt und einen Film machen will. Das kann ja auch nach hinten losgehen. Und dann hat das einen Moment gedauert, bis das gegenseitige Vertrauen da war. Und dann war’s super. Hat ganz großen Spaß gemacht“
Auf diesem Vertrauensverhältnis aufbauend war es Oliver Schwabe möglich, Tokio Hotel eine Plattform zu bieten, sich selbst darzustellen, zu erklären und dabei aber die Grenzen selbst abzustecken. Dazu nahm er sich viel Zeit, ausgedehnte Gespräche mit der Band zu führen. Alleine das Interview mit Sänger Bill in der Wüste dauerte 2 1/2 Stunden, wie er uns verriet.
Ein Film über und mit Tokio Hotel
Umso mehr hat es uns überrascht, was Tokio Hotel aus dieser Möglichkeit gemacht haben. In der Dokumentation sehen wir Gustav und Georg so privat und redselig wie nie. Sie nehmen die Kamera mit an die Orte, an denen alles begann und verraten ihre Sicht der Dinge. Wie erging es ihnen während der Hochphase? Wie erlebten sie die Zwillinge über die Jahre hinweg? Was ging in ihnen vor, als die Zukunft der Band in der Schwebe war? Die G’s verraten, was sie während der Auszeit machten. Im krassen Kontrast dazu erfährt man von Tom und Bill recht wenig Neues. Sänger Bill zeigt sich betont exzentrisch. In dem, was er spricht, ist er ehrlich. Doch besonders auffällig ist der buchstäbliche Schutzmantel, mit dem er sich in der Wüste zeigt. Er ist vorsichtig und fast schon unnahbar geworden. Dadurch ist der Grat zwischen ehrlichen Einblicken und arroganten Aussagen recht schmal und wird auch teilweise bewusst überschritten. Bei Bruder Tom ist das ganz ähnlich. Auch ihn umgibt eine unsichtbare Mauer, die er sich selbst errichtet hat. Schockierend wirken vor allem seine Aussagen über Frauen. Doch auch seine Rolle in der Band hat sich geändert. Nur vielleicht ist es genau das, was Tokio Hotel so einzigartig macht. Zwei komplett unterschiedliche Fronten bestehend aus 4 spannenden, komplett unterschiedlichen Charakteren, die eigentlich nicht zusammen passen und doch nur in dieser Kombination bestehen können.
HINTER DIE WELT oder IMMER NOCH JUNG?
Wir sind die Generation, die beide Bands als Fangirls erlebten und nun die Möglichkeit hatte, zwei vollkommen unterschiedliche Wege zu sehen, wie man sich als Band präsentieren kann. Wir haben uns bei beiden Dokumentationen die Frage gestellt – ist das auch für Nicht-Fans interessant? Während wir das bei den Killerpilzen vollstens bejahen können, sind wir uns bei Tokio Hotel noch unsicher. Doch eine Fandokumentation ist HINTER DIE WELT auch nicht.

Das Konzept hinter IMMER NOCH JUNG ist es, der Welt einen Einblick in die Bandgeschichte der Killerpilze zu bieten. Wie es begann, echte Aufnahmen aus der Zeit, in der sie ganz oben waren und ebenso ehrliche Worte über die Welt danach. Sie zeigen sich authentisch als gehypte Teens, die von Frauen jeden Alters umschwärmt wurden und es wird wirklich möglich, sich in alle Zeiten hineinzuversetzen. Wie ging es weiter? Und wie entstand ihr eigenes Label? Sie wollen mit ihrer Dokumentation aber nicht nur Einblicke geben, sondern sprechen auch offen an, dass sie bereit sind, wieder mit Labels zu kooperieren und den Schritt nach ganz oben erneut zu wagen. Ein chronologischer Werdegang einer Band, die das Musikbusiness objektiv an einem subjektiven Beispiel verständlich macht.
Das Konzept bei Tokio Hotel ist ein völlig anderes als bei den Killerpilzen. Statt eines chronologischen Verlaufs wird sich auf einige prägende Momente der Bandgeschichte beschränkt. Exemplarisch werden einige typische Themen des Tokio Hotel Kosmos näher betrachtet, wie Liebe, Sexualität, Los Angeles, Musikproduktion. Doch diese Themen wirkten auf uns willkürlich. Eine Metapher zum Durcheinander im Leben der Bandmember? Nur im Vergleich zur Beantwortung dieser typischen Fragen in Interviews nehmen die vier Jungs in ihrer Dokumentation HINTER DIE WELT kein Blatt vor den Mund. Sie machen ihre Sicht der Dinge klar und deutlich. Die Antworten sind tiefgründig und persönlich. Einblicke, die die Band selten so offen gibt.
Hinter die Welt – und dann?
Die Band und der Produzent hatten ein und dieselbe Vision. Das ist auch der Grund, warum zum Ende des Projekts so gut wie nichts mehr von der Band bemängelt wurde. Nichtsdestotrotz war uns als Fans das Ziel von HINTER DIE WELT nicht klar ersichtlich und der einzig wirklich neue Infogehalt für Fans schien der Bootsführerschein von Gustav zu sein. Doch wie sehr kann sich ein Nicht-Fan nun in die Band hineinversetzen? Sehenswert ist die Dokumentation in jedem Fall, denn sie regt zum Nachdenken an. Denn auch über eine Woche nach Kinopremiere lässt uns HINTER DIE WELT nicht los und wir hatten Schwierigkeiten, unsere Gedanken hier zu formulieren. Mach also auch du dir dein eigenes Bild über die Dokumentation. Im nächsten Jahr wird sie auf ARTE ausgestrahlt oder du bestellst die DVD bereits auf Amazon vor. HINTER DIE WELT soll am 15. Dezember erscheinen. Doch wenn du nicht so lange warten möchtest, dann kannst du sie wohl bald schon im Kino erleben. Produzent Oliver Schwabe hat uns verraten, dass die geplante Kinotour – wenn sie zustande kommt – nach den Additional Shows der Dream Machine Tourim November stattfinden wird und auf jeden Fall noch in diesem Jahr. Doch fest abgeklärt ist die Kinotour noch nicht. Kein Wunder bei einer Band, deren Terminplanungen sich täglich ändern.
Mittlerweile gibt es die Dokumentation auch auf DVD: http://amzn.to/2AMC21K (affiliate link)
2 Gedanken zu “Tokio Hotel: Durch den Monsun, HINTER DIE WELT – ans Ende der Zeit?”